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Alpenüberquerung München – Venedig: Häufige Ausrüstungsfragen

Die Alpenüberquerung von München nach Venedig auf der Grasslerroute ist mittlerweile schon ein echter Klassiker unter den alpinen Weitwanderungen. Ich habe die Tour im letzten Sommer gemacht und war wirklich sehr begeistert. Da man rund 30 Tage auf dem “Traumpfad München Venedig” unterwegs ist, kommt dem Zusammenstellen der richtigen Ausrüstung eine große Bedeutung zu. In den einschlägigen Foren werden einige Ausrüstungsfragen immer wieder gestellt. Zudem habe ich auf der Tour wirklich viele Leute getroffen, die eine Menge unnötigen Ballast mit sich rumgetragen haben. Aus diesem Grund hier meine persönliche Einschätzung zu einigen der häufigsten Ausrüstungfsfragen. Dabei gehe ich davon aus, dass die Tour als reine Hüttentour durchgeführt wird. Solltet Ihr weitere Fragen haben, dann meldet Euch bitte per Kommentar, damit ich sie in den Beitrag aufnehmen kann.

 

1. Soll ich Grödel mitnehmen? 

Grödel sind – untechnisch gesprochen – “kompakte Steigeisen”, die einem durch scharfe Metallzacken Halt auf vereisten Schneefeldern geben sollen. Im Gegensatz zu Steigeisen eignen sie sich jedoch kaum für den Einsatz im steilen Gelände, da sie nur einen Teil des Schuhs abdecken. Im Vergleich zu Steigeisen sind Grödel jedoch deutlich leichter und können auch an nicht-steigeisenfesten Stiefeln angebracht werden. Die Mitnahme von Grödeln macht Sinn wenn man – wie bei der Grasslerroute – nicht über Gletscher läuft, aber dennoch befürchtet, harte Schneefelder queren zu müssen. Die Querung von vereisten Schneefelder ist sicherlich eine der gefährlichsten Angelegenheiten bei einer alpinen Wanderung, wie auch die jüngsten Meldungen über den Absturz von zwei deutschen Bergsteigern zeigen. Ich habe in den vergangenen Jahren selbst einige halsbrecherische Schneefeldquerungen gemacht, bei denen mir angesichts des Risikos nicht ganz wohl war und die ich rückblickend, angesichts der jüngsten Unglücksberichte, vielleicht doch besser unterlassen hätte. Aus diesem Grund habe ich für meine München-Venedig Tour entschieden, Grödel mitzunehmen.

Da ich im August unterwegs war und nicht mit sehr vielen Schneefeldern gerechnet habe, habe mich dabei für leichte 4-Zack Grödel von Salewa entschieden (grade mal 280 g). Aufgrund des geringen Gewichts schmerzt es nicht allzu sehr, sie mitzunehmen. Zudem lassen sie sich schnell und zuverlässig unter meinen Stiefeln anbringen, so dass die Hemmschwelle auch nicht allzu groß ist, vor einem Schneefeld kurz die Grödel anzulegen. Allerdings sind 4-Zack Grödel wirklich eine Minimallösung. Für die Querung von Schneefeldern sind sie sicherlich ausreichend, wenn man jedoch ein Schneefeld hoch muss, wird es schon problematisch, da sich die Zacken nur in der Mitte des Stiefels befinden. Auf meiner München-Venedig Tour im August habe ich die Grödel kein einziges mal gebraucht. Es gab schlicht keine problematischen Schneefelder mehr. Mein Tipp für München Venedig: Wenn ihr im August lauft, werdet ihr die Grödel höchstwahrscheinlich nicht brauen. Ihr solltet euch vor der Tour bei den Hüttenwirten über die Schneesituation informieren. Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, könnt ihr leichte 4-Zack-Grödel mitnehmen, die fallen kaum ins Gewicht. Wenn ihr sehr früh oder sehr Spät in der Saison unterwegs seid und mit problematischen Schneefeldern rechnet, solltet ihr hingegen eher 6-Zack Grödel (z.B. solche) oder besser noch Steigeisen (und Pickel) mitnehmen. Im Zweifel kehrt besser um, wenn ihr euch einem vereisten Schneefeld nicht gewachsen fühlt. Schneefelder können wirklich gefährlich sein.

 

2. Brauche ich einen Biwacksack?

Das ist eine der wohl meistdiskutiertesten Ausrüstungsfragen. Ein Biwacksack kann in einer Notsituation wirklich wichtig sein, da er aufgrund des Wind- und Regenschutzes sowie der Reflektion von Körperwärme effektiv vor Unterkühlung schützt. Wer auf Nummer Sicher gehren möchte, nimmt daher einen Biwacksack mit.
Ich persönlich hatte hingegen bloß eine herkömmliche Rettungsdecke im Gepäck (gehört wirklich in jeden Wanderrucksack), die im Notfall aber sicherlich deutlich weniger Schutz geboten hätte, als ein Biwacksack. Ich fand das für mich jedoch ausreichend, da man bei der Tour nie wirklich weit von Hütten entfernt ist. Zudem bin ich auf der Tour eher leicht und schnell unterwegs gewesen und habe die Wettervorhersage und -entwicklung stets genau im Blick behalten, so dass es ziemlich unwahrscheinlich war, dass mich ein Unwetter unvorbereitet trifft. Wer hingegen (fahrlässigerweise) das Wetter nicht gut im Blick hat, der braucht auch einen Biwacksack. Ein guter Kompromiss ist dann sicherlich der Mountain Equipment Ultrarlite Bivi, der kaum mehr wiegt als eine normale Rettungsdecke, aber deutlich mehr Schutz bietet.

 

3. Brauche ich einen richtigen Schlafsack?

Nein, auf sämtlichen Hütten gibt es Decken. Ein leichter Hüttenschlafsack reicht vollkommen aus. Als Hütten-Schlafsack eignen sich Seiden-Inletts hervorragend. Die wiegen bloß ca. 150 g.

 

4. Muss ich Karten mitnehmen?

Ich hatte für die gesamte Tour Kartenmaterial dabei. Ich habe die Karten aber kein einziges mal gebraucht. Ich war mit dem Rother-Wanderführer unterwegs und fand dessen Beschreibungen immer so präzise, dass Karten vollkommen überflüssig waren. Um in unvorhergesehenen Fällen spontan umplanen zu können, kann es allerdings durchaus empfehlenswert sein, Karten dabei zu haben. Würde ich die Tour nochmal laufen, würde ich die Karten aus Gewichtsgründen allerdings daheim lassen und mich im Notfall bei Hüttenwirten informieren oder auf Wegweiser vertrauen. Ich gebe aber zu, dass auch gute Gründe dafür sprechen, einen kompletten Kartensatz mitzunehmen. Ich hatte bisher bei jeder Bergtour immer vollständiges Kartenmaterial dabei und würde mich ohne Karten sicherlich sehr “nackt” fühlen.
Wenn Ihr euch entschließt, Karten mitzunehmen, solltet ihr die unwichtigen Abschnitte abtrennen oder bloß die relevanten Teile mit einem Farbkopierer kopieren. Dabei solltet ihr auf einen ausreichend großen Abschnitt rund um die eigentliche Route achten, der zumindest alle relevanten Abstiegsrouten und Talorte umfasst.

 

5. Brauche ich ein GPS-Gerät?

Nein, definitiv nicht. Die Wege sind stets gut markiert. Auch bei Nebel und in Wolken hatte ich nie Probleme bei der Orientierung. Fast schon bemitleidenswert fand ich Wanderer, die sich nicht selbst orientiert haben, sondern nur den GPS-Track nachgelaufen sind, den ein anderer Wanderer vor ihnen aufgezeichnet hat.

 

6. Muss ich Trekkingstöcke mitnehmen?

Ja, definitv. Auf so einer langen Tour ist es wichtig, auf seine Gelenke Acht zu geben. Insbesondere lange Abstiege beanspruchen die Knie stark. Trekkingstöcke entlasten sie spürbar. Ich habe nur eine Mitwandererin auf der Tour kennenglernt, die keine Trekkingstöcke dabei hatte. Sie musste die Tour wegen Kniebeschwerden fast abbrechen. Sie konnte die Tour zum Glück nach einigen Tagen Pause – nun mit Trekkingstöcken – fortsetzen. Geht das Risiko eines vorzeitigen Tourabbruchs wegen Gelenkproblemen besser nicht ein, sondern nehmt auf jeden Fall Trekkingstöcke mit. Ich kann die Black Diamond Trail empfehlen, die wirklich sehr robust und gut verarbeitet sind.

 

7. Brauche ich eine Klettersteigausrüstung?

Auf der Route gibt es an einigen Stellen recht ausgesetzte stahlseilversicherte Passagen. Ein Klettersteigset ist hierfür jedoch nicht erforderlich. Bloß für den Schiara-Klettersteig kurz vor Belluno benötigt man ein Klettersteigset. Man kann sein eigenes Klettersteigset zum Passo Duran vorausschicken. Das hat bei mir ohne Probleme funktioniert. Statt dessen kann man (nach dem, was ich gehört habe) auch am Passo Duran (Rifugio San Sebastiano) oder am Rifugio Pian de Fontana Klettersteigsets ausleihen. Das solltet ihr vorher aber abklären. Ich selbst fühle mich mit meiner eigenen Ausrüstung allerdings immer wohler, als mit gebrauchter Leihausrüstung.
UPDATE: Dass Ihr ein Klettersteigset nicht durch Bandschlingen etc. ersetzen könnt, könnt ihr hier sehen.
UPDATE: Infos zum Vorausschicken und ausleihen des Klettersteigsets finden sich im alten München-Venedig Forum. Beispielsweise in diesem Thread.

 

Wenn ihr weitere Fragen habt, meldet euch bitte einfach per Kommentar. Bitte beachtet, dass Ihr alle sicherheitsrelevanten Entscheidungen (Grödel, Biwacksack etc.) für euch selbst treffen müsst. Wenn ihr euch unsicher seid, entscheidet euch besser für die sicherere Variante.

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5 comments

  1. Jan aus Freiburg

    Hallo Jan,

    ich habe die Tour 2006 gemacht und habe meine Grödeln zweimal gebraucht, beim Aufstieg zur Alpeiner Scharte und beim Aufstieg zur Sella. Das war Mitte August gewesen, und es war nicht vorhersehbar gewesen, dass es schneien würde. Ich war super dankbar, sie dabei gehabt zu haben. Auch ich hatte aus Gewichtsgründen die 4-Zack-Grödeln von Salewa dabei.

    Ich konnte mit diesen Grödeln auch den Aufstieg gut bewältigen. Der Trick bestand darin, den Fuß quer zum Hang (also seitlich) aufzusetzen, nicht mit der Fußspitze zum Hang. Das ist sicher nicht optimal, ging aber trotzdem ganz gut.

    Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Grödeln auf steilen Geröllfeldern oder steilen feuchten Wiesen sehr gute Dienste leisten.

    Wünsche allen viel Spaß bei der Tour.

    Herzliche Grüße,

    Jan.

    • Dein Bericht spricht wirklich dafür, die 4-Zack Grödel einfach bei jeder Bergtour (und erst recht bie M-V) im Rucksack zu haben. Gut zu hören, dass sie auch im steileren Gelände von Hilfe sein können!

  2. Hallo Jan,
    ich habe gelesen, dass im Bruckmann Wanderführer sogar eine Thermarestmatte mitangeführt wird, die wenn überhaupt ja doch nur im Notfall gebraucht wird.
    Ich denke, da müsste Biwacksack und Rettungsdecke doch ausreichen, oder?
    Grüße
    yvonne

    • Hallo Yvonne,

      eine Isomatte braucht man nicht mitnehmen, es sei denn man plant draußen zu übernachten. Natürlich wäre es deutlich komfortabler, wenn man im Fall der Fälle auch eine Isomatte dabei hätte, aber wenn man der Devise folgt, dann kann man auch gleich Zelt, Daunenschlafsack und Kocher mitnehmen. Sofern man unplanmäßig biwakieren muss, geht es ja nicht um Komfort, sondern nur darum, die Nacht irgendwie zu überstehen. Da muss man sich dann zur Not halt auf seinen Rucksack etc. kauern, um sich vor der Bodenkälte zu schützen. Ich persönlich würde daher auf eine Hüttentour keine Isomatte mitnehmen.

      • Ich finds toll, ist auf jeden Fall um einiges beessr und vor allem kostenlos. Ich benutze das ziemlich oft, wenn ich zu Hause bin

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