Polartec NeoShell ist eine der spannendsten Materialneuheiten der vergangenen Jahre. Es ist wasserdicht, erreicht aber anders als herkömmliche Hardshell-Membrane dennoch fast die Atmungsaktivität von Softshell-Materialien. Genau das richtige für schweißtreibende Aktivitäten am Berg! Die ersten NeoShell Jacken, die auf den Markt kamen, hatten jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie waren deutlich schwerer als gewöhnliche Hardshells. Umso größer war meine Begeisterung, als Rab mit der Myriad Jacket die erste wirklich leichte NeoShell-Jacke auf den Markt gebracht hat. In den letzten Monaten habe ich die Myriad bei verschiedensten Bedingungen auf Herz und Nieren getestet, unter anderem auf Bergtouren im Karwendel und auf dem Berliner Höhenweg. Wie sich die NeoShell-Hardshell geschlagen hat, erfahrt Ihr im nachfolgenden Testbericht.
Facts
- Material: Polartec NeoShell
- Wassersäule: 10.000 mm
- Hohe Atmungsaktivität
- Gewicht: 370 g (Gr. M)
- Zweifach anpassbare Kapuze
- Wasser abweisende YKK® Aquaguard Reißverschlüsse
- Tunnelzug im Saum
- Velcro-Ärmelbündchen
- Hüftgurtkompatible Taschen
- Hoher Wetterschutzkragen
Ausstattung
Eine gute Alpinjacke verzichtet aus Gewichtsgründen auf unnötigen Schnick-Schnack, spart aber nicht an den wirklich wichtigen Details. Genau das trifft auf die Rab Myriad zu: Sie ist eine minimalistische Hardshell-Jacke für alpine Unternehmungen, die dennoch über alle wichtigen Ausstattungsmerkmale einer guten Bergjacke verfügt. Sie hat an der Vorderseite zwei große Taschen, die auch mit angelegtem Hüftgurt gut zugänglich sind. Die Taschen werden mit wasserabweisenden Reißverschlüssen verschlossen. Weiterhin verfügt die Jacke über eine Netz-Innentasche, die per Reißverschluss verschlossen werden kann. In dieser Tasche lassen sich das Mobiltelefon oder andere feuchtigkeitsempfindliche Wertgegenstände gut verstauen.
Die Kapuze verfügt über einen drahtverstärkten Schirm, der sich gut anpassen lässt und das Gesicht wirksam vor Niederschlag schützt. Sie lässt sich über zwei Tunnelzüge gut an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Die Kapuze ist außerdem helmkompatibel, lässt sich also auch über einen Kletterhelm ziehen. Die Kapuze hat mich insgesamt stark an die der Rab Latok Alpine erinnert, sitzt jedoch noch etwas besser, da der obere Tunnelzug nun tiefer sitzt, wodurch sich die Kapuze besser an den Kopf anpassen lässt.
Die Ärmelabschlüsse lassen sich durch Klettverschlüsse („Velcros“) anpassen. Diese stellen (überraschenderweise) bei vielen Jacken eine Schwachstelle dar, z.B. weil sie sich bei schmalen Handgelenken nicht eng genug schließen lassen. Solche Probleme hat man mit der Myriad nicht. Die Ärmelabschlüsse sind optimal gelöst. Last but not least verfügt die Jacke über einen einhändig bedienbaren Tunnelzug am unteren Saum, mit dessen Hilfe man verhindern kann, dass es von unten kalt in die Jacke reinzieht.
Schnitt und Farbe
Der Schnitt der Rab Myriad ist stark an den gelungenen Schnitt der Rab Latok Alpine angelehnt. Beispielsweise verfügt die Myriad über denselben hohen Wetterschutzkragen, der auch die Latok Alpine auszeichnet und hinter dem man sich sich bei schlechtem Wetter wunderbar verstecken kann. In derselben Größe ist die Myriad aber insgesamt etwas kürzer und enger als die Latok Alpine, was ich als klaren Vorteil verbuche. Zwar ist eine eher lange und weite Hardshell in vielen Situationen sehr praktisch, zum Beispiel wenn man eine Primaloft-Isolationsjacke unterziehen möchte. Der Schnitt der Myriad sieht aber einfach besser aus. Zudem ist ein etwas kürzerer Schnitt praktisch, wenn man einen Klettergurt trägt. Es soll aber in keiner Weise der Eindruck entstehen, dass die Myriad besonders eng oder kurz ist. Sie ist vielmehr genau richtig geschnitten und lässt auch ausreichend Platz, um mehrere Isolationsschichten unterzuziehen.
Die Farbe „Vivid“ hat es mir besonders angetan. Es handelt sich um einen Blauton, der insbesondere unter Kunstlicht Richtung Lila geht. Die Farbe ist definitiv etwas besonders und garantiert am Berg eine gute Sichtbarkeit. Sie lässt sich aber auch im Stadtalltag gut tragen.
Wetterschutz und Atmungsaktivität
Mit einer Wassersäule von 10.000 mm ist die Myriad absolut wasserdicht. Da andere Membranmaterialien über eine Wassersäule verfügen, die bis zu dreimal so hoch ist, war ich dennoch zunächst etwas skeptisch, was die Wasserresistenz angeht. Also habe ich die Jacke erst einmal unter der Dusche getestet, bevor ich Sie auf die erste Bergtour mitgenommen habe. Auch dem starken Duschstrahl hat die Jacke jedoch ohne Probleme längere Zeit standgehalten. Der theoretische Testbefund wurde dann auch durch meine praktischen Erfahrungen am Berg bestätigt. Auch stundenlangem Regen hat die Jacke ohne Probleme standgehalten. Selbst an den Stellen, an denen das Gewicht des Rucksacks auf der Jacke lastete, war kein Durchdringen von Feuchtigkeit zu beobachten. In Sachen Wetterschutz nimmt man mit NeoShell somit keine Kompromisse in Kauf.
Die höhere Atmungsaktivität der NeoShell-Membran ist in der Praxis ganz eindeutig zu spüren. Man fühlt sich unter der Jacke bei einem hohen Aktivitätsniveau einfach deutlich wohler als zum Beispiel unter einer Gore-Tex ProShell Jacke. So hat man im Aufstieg nicht so schnell das Gefühl eines Hitzestaus, wie ich es von anderen Membranjacken gewöhnt bin. Außerdem gelangt Schweiß spürbar besser durch die Membran nach außen, so dass Base- und Midlayer sich länger trocken anfühlen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man unter weniger atmungsaktiven Membranen häufig zunächst das Gefühl eines Hitzestaus hat, das sich nach einiger Zeit jedoch in ein nasskaltes Frösteln umwandelt. NeoShell ermöglicht hingegen ein deutlich konstanteres und angenehmeres Körperklima.
Ich würde sogar so weit gehen, dass man mit einer NeoShell Jacke in vielen Situationen darauf verzichten kann, eine zusätzliche Softshell mitzunehmen. Das gilt jedenfalls im Hinblick auf Softshells mit winddichter Membran, da diese im Ergebnis wirklich nicht viel atmungsaktiver als NeoShell sind. Allerdings sollte man bedenken, dass das NeoShell-Material vielleicht auf Dauer etwas empfindlicher ist als Softshell-Materialien.
Fazit
Die Rab Myriad ist für mich die ultimative Hardshell für schnelle alpine Unternehmungen mit leichtem Gepäck. Sie kombiniert eine extrem hohe Atmungsaktivität und perfekten Wetterschutz mit einem niedrigen Gewicht. Der einzige Preis, den man dafür zahlen muss, ist, dass das Material etwas weniger robust ist als z.B. Gore-Tex Pro Shell. Auch wenn die in der Myriad verarbeitete leichte NeoShell-Variante nicht übermäßig empfindlich ist, würde ich dennoch darauf achten, übermäßig ruppigen Felskontakt zu vermeiden. Besonders gut ist die Myriad für Minimalisten geeignet, bei denen die NeoShell-Jacke auch die Softshell ersetzt. Bedenkt man, dass eine herkömmliche Hardshell und eine herkömmliche Softshell in der Regel jeweils locker 500 g wiegen, ermöglicht die Myriad mit ihren 370 g ein Gewichtsersparnis von 600 g. Das ist phänomenal! Schlichtweg überragend ist auch das Preis-Leistungs-Verhältnis der Jacke. Bei den Bergfreunden gibt es sie bereits für knapp EUR 340.
Stimmt die Gewichtsangabe? Sonst wird die Jacke immer mit 420g angegeben. Und ja, ich bin ein Erbsenzähler 😉
Ja, ich habe die Jacke selbst nachgewogen und war ebenfalls sehr verblüfft über das geringe Gewicht. Eine mögliche Erklärung für die höhere Herstellerangabe ist, dass Rab die Jacke zusammen mit den Etiketten gewogen hat. Ich glaube, dass meine Waage relative genau ist, kann aber natürlich nicht ausschließen, dass sich ein gewisser Messfehler eingeschlichen hat. Fürs Erbsenzählen habe ich im Übrigen größtes Verständnis, ich achte bei meiner Ausrüstung auch auf jedes Gram! Gerade aus diesem Grund kann ich Dir die Myriad sehr empfehlen!