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Vier Wochen danach: Was bleibt von der Greenpeace Detox Campaign?

[Update: Infos zum neuen Greenpeace-Bericht vom 12.12.2013 gibt es hier.]

Vor Vier Wochen hat Greenpeace eine Untersuchung veröffentlicht, nach der Outdoorbekleidung mit giftigen PFC-Verbindungen belastet ist. Ich habe mir mal die Reaktionen der Outdoorbranche vorgenommen und drei Forderungen an die Hersteller und drei Handlungsempfehlungen für Verbraucher entwickelt.

Die Detox Campaign von Greenpeace

Detox ist eine Kampagne von Greenpeace, mit der die Umweltschutzorganisation versucht, Textilhersteller dazu zu bewegen, auf die Verwendung von giftigen Chemikalien bei der Produktion von Kleidung zu verzichten. Im Fokus der Kampagne stand zunächst allgemeine Straßenmode (H&M und Konsorten) sowie Sportartikelhersteller (Adidas, Nike etc.). Vor etwa vier Wochen hat sich Greenpeace dann auch die Outdoorbranche vorgenommen: Greenpeace untersuchte 14 Kleidungsstücke von namenhaften Outdoorherstellern und stellte dabei fest, dass sämtliche Kleidungsstücke perfluorierten und polyfluorierten Chemikalien (PFCs) enthielten, die krebserregend und reproduktionstoxisch wirken.

Das Problem bei der Verwendung der PFCs liegt nicht darin, dass man beim Tragen der Jacken Giftstoffe aufnehmen könnte, sondern dass es im Rahmen der Produktion vor allem durch verschmutztes Wasser zur Emission der Chemikalien in die Umwelt kommt. Die Folge ist eine umfassende Verschmutzung der Umwelt durch PFCs, die durch den Prozess der Bioakkumulation unmittelbar den Menschen betrifft. Die weltweite messbare Belastung mit PFCs ist enorm. Die Chemikalie lässt sich mittlerweile sowohl im Trinkwasser, in der Luft und in unserer Nahrung nachweisen. Der dramatische Verbreitungsgrad wird daran deutlich, dass mittlerweile selbst im arktischen Schnee PFCs nachgewiesen werden können, obwohl PFC Verbindungen erst seit den 1940er Jahren hergestellt werden und natürlich nicht vorkommen. Bei PFCs handelt es sich um extrem stabile chemische Verbindungen, die kaum zerfallen. Dies macht die zunehmende Belastung der Umwelt mit der giftigen Chemikalie besonders problematisch.
PFCs und die Outdoorbranche

In der Outdoorbranche werden PFCs für zwei Zwecke verwendet: Zum einen werden sie für die herstellerseitige Imprägnierungen von Bekleidung mit sogenannten DWRs (Durable Water Repellents) eingesetzt. Die DWR-Imprägnierung ermöglicht den eindrucksvollen Lotusblüteneffekt, der Wasser von Hard- und Softshellbekleidung einfach abperlen lässt. Zum anderen werden PFCs in der Fertigung von wasserdichten und atmungsaktiven Membranen eingesetzt. Sie sind für die Herstellung der  Polytetrafluoroethylene (PTFE) Schicht erforderlich, die beispielsweise das Herzstück von Gore-Tex bildet.

Die Verwendung von PFC-Verbindungen durch Outdoor-Hersteller hat einen ziemlich faden Beigeschmack: Outdoor-Hersteller verkaufen ausweislich ihrer Werbung (z.B. Jack Wolfskin, Haglöfs, Schöffel) Bekleidung für einmalige Naturerlebnisse. Genau diese Natur verschmutzen sie jedoch nachhaltig durch die Verwendung von PFCs. Zudem muss man berücksichtigen, dass ein Großteil der Outdoor-Bekleidung gar nicht mehr in der wilden Natur, sondern vielmehr in den zahmen Innenstädten eingesetzt wird. Den Käufern kann man da keinen Vorwurf machen, sie sind zurecht von den praktischen Vorzügen von funktioneller Outdoor-Bekleidung begeistert. Auch kann man den Outdoor-Herstellern nicht vorwerfen, dass sie die Gunst der Stunde nutzen und den Massenmarkt bedienen. Aber aus der zunehmenden Popularität und dem enormen Wachstum der Outdoorbranche erwächst für die Hersteller eine besondere Verantwortung, der sie gerecht werden müssen.

Die Reaktionen der Outdoorhersteller

Als Greenpeace  vor einem Monat seine Untersuchungsergebnisse zum Outdoor-Teil der Detox Campaign veröffentlicht hat, wurde das Thema von erstaunlich vielen Medien aufgegriffen (diverse Nachrichtensendungen, Spiegel Online etc. berichteten). Das Thema sollte also bei weiten Teilen der Bevölkerung angekommen sein. Dementsprechend war zu erwarten, dass eine Reaktion der Outdoor-Hersteller folgt, was auch der Fall war. Mittlerweile sind gut 30 Tage seit dem “Rollout” von Greenpeace verstrichen und das Thema hat keine Relevanz mehr in den Medien. Mit weiteren Reaktionen ist somit nicht zu rechnen. Eine Bestandsaufnahme:

  • Vaude: Verwendet schon seit längerem keine PTFE-Membrane mehr. Bis ende 2014 Verzicht auf die besonders problematischen 8-Kettigen (sog. C8-PFCs) PFC-Verbindungen. Erklärtes Ziel ist vollständiger Verzicht auf PFC (zur Stellungnahme). Vaudes Statement ist äußerst positiv zu bewerten. Hervorzuheben ist das ausdrückliche Bekenntnis zu dem Ziel, komplett auf PFCs zu verzichten!
  • Nikwax: Nikwax stellt Pflegeprodukte für Outdoorbekleidung her, unter anderem auch äußerst wirksame Imprägniermittel (siehe Blogbeitrag “Pflege von Membranbekleidung“). Nikwax verzichtet komplett auf den Einsatz von PFCs!. Das ist äußerst positiv hervorzuheben! Zudem relativiert dies die Behauptung vieler Outdoorhersteller, dass sich wirksame Imprägnierungen nicht ohne PFCs herstellen lassen. Das stimmt nicht. Die Nikwax Imprägnierung sind nach meiner eigenen Erfahrung äußerst wirksam (zur Umwelt-Seite).
  • Marmot: Bis zum Frühjahr 2013 65% der Kollektion ohne C8 Technologie, statt dessen weniger problematische C6-PFCs. C6 Anteil soll bis 2014 stark angehoben werden (zur Stellungnahme). Hinzuweisen ist darauf, dass Marmot PTEE-Membrane verwendet. Die Marmot Stellungnahme bezieht sich jedoch nur auf DWR-Imprägnierungen.
  • Jack Wolfskin: Die von Jack Wolfskin selbst entwickelt Membran Texapore ist PFC frei. Bei DWRs sei ein Verzicht auf PFCs jedoch nicht möglich. Ein Umstellungsprozess ist diesbezüglich eingeleitet und soll bis 2014 abgeschlossen sein. Dem insoweit sehr unklaren Statement von Jack Wolfskin kann man jedoch entnehmen, dass dadurch kein Verzicht auf PFC erreicht wird.  Wahrscheinlich stellt Jack Wolfskin bloß auf die weniger problematischen C6-PFC Verbindungen um. Im Rahmen der “Zero Discharge of Hazardous Chemicals”-Initiative bemüht sich Jack Wolfskin, PFC freie DWRs zu entwickeln (zur Stellungnahme).
  • Grangers: Keine Spezifische Stellungnahme zur Detox Campaign. Grangers schreibt auf seiner Seite jedoch, dass es keine C8-PFCs verwendet, sondern statt dessen auf C6-Verbindungen setzt (zur Umwelt-Seite).
  • Mammut: Will bis 2015 auf C8-PFCs verzichte. Sieht keine Möglichkeit vollständig auf PFCs zu verzichten. Die Chemieindustrie sei gefordert, PFC freie Alternativen zu entwickeln (zur PFC-Seite).
  • Patagonia: Ab Herbst 2015 sollen keine C8-PFC Imprägnierungen mehr verwendet werden. Bereits jetzt wird versucht, den Anteil der C8-Imprägnierungen herunterzufahren (via Bergleben).
  • Gore-Tex: Hebt hervor, dass es für den Umweltschutz wichtig sei, dass Kleidung lange hält. Gore-Tex verwendet PFCs (wohl auch C8-Verbindungen, da sie PFOA sprechen), liege aber unter den Grenzwerten des Bluesign standards. Gore-Tex widerspricht  dem Greenpeace Bericht in mehrerer Hinsicht. Nicht alle PFCs seien gleich problematisch. Kurzkettige PFCs seien nicht so problematisch. Die alternativen zu PTFE Membranen (zu denen auch Gore-Tex zählt) seien nicht gut genug, um den “Leistungsvversprechen” von Gore-Tex gerecht zu werden. Der Öko-Tex und der Bluesign Standard seien ausreichend streng (via Zwerg am Berg). Anscheinend gibt es bei Gore-Tex kein Bestreben, komplett auf PFCs zu verzichten, bemüht sich aber allgemein, Emissionen zu reduzieren.
  • The North Face: Keine aktuelle Stellungnahme. Das Unternehmen gibt auf seiner Website jedoch an, PFC zu verwenden, jedoch alle relevanten Grenzwerte einzuhalten (zur Homepage).

Von anderen Outdoorherstellern konnte ich keine Stellungnahmen finden.

Schlussfolgerungen

  1. Outdoorhersteller beeinträchtigen die Umwelt genauso wie es jeder tut, der in dieser Welt etwas herstellen will. PFC Verbindungen sind aufgrund ihrer Schädlichkeit und ihrem langsamen Zerfall jedoch ein ernstes Problem, dessen sie sich annehmen müssen.
  2. Bei DWR-Imprägnierungen ist es schon jetzt möglich, komplett auf problematische C8-Verbindungen zu verzichten und statt dessen auf C6-PFCs zurückzugreifen. Nikwax zeigt zudem, dass sich wirksame Imprägnierungen auch ganz ohne PFCs herstellen lassen.
  3. Es gibt PFC freie Membrane (Sympatex (verwendet von Vaude) und Texapore (Eigenmaterial von Jack Wolfskin)). PTFE-Membrane verwenden PFCs (auch C8-PFCs). [Update: Hier jetzt ein ausführlicher Testbericht zu Sympatex]
  4. C6-PFCs sind wohl grundsätzlich weniger problematisch als C8-PFCs aber sowohl nach dem Greenpeace Bericht als auch nach anderen Studien kann in keinem Fall davon ausgegangen werden, dass C6-PFCs unbedenklich sind.
  5. Einige Hersteller verfolgen das Ziel PFCs ganz aus der Herstellung zu verbannen (z.B. Vaude, Nikwax hat es schon geschafft), andere Hersteller sehen keine Möglichkeit auf PFCs zu verzichten (z.B. Gore-Tex).
  6. Der bluesign-Standard begrenzt die PFC-Verwendung, schließt sie jedoch nicht aus.
Ich finde es enttäuschend, dass ich in der Recherche nicht von allen Outdoor-Herstellern eine Stellungnahme zur Verwendung von PFCs finden konnte. Viele scheinen das Thema noch nicht ernst genug zu nehmen. Ein Grund hierfür ist mit Sicherheit auch, dass sie keine Notwendigkeit dazu sehen, da die Verbraucher das Thema PFC-Verwendung bislang nicht bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen. Zugegebenermaßen: Das habe ich bislang auch nicht.
Ein Thema, das ich genauso wie die meisten anderen Kunden aber bei Kaufentscheidungen maßgeblich berücksichtigen, ist die Authentizität einer Marke. Ich möchte Outdoorbekleidung kaufen, die von Outdoor-Enthusiasten für Outdoor-Enthusiasten entwickelt wurde. Und einen solchen Outdoor-Enthusiasten nehme ich nur ernst, wenn er sich ernsthaft mit dem Thema Umweltschutz beschäftigt und mir erklärt, welche Umweltbelastungen er aus welchen Gründen für erforderlich hält. Keine Frage, wenn ich mir eine Hardshelljacke kaufe, die letztich größtenteils aus Rohöl besteht, mache ich mir nicht die Illusion, keinen Footprint zu hinterlassen. Aber ein sympathischer Outdoor-Hersteller sollte zumindest zeigen, dass er sich des Poblems bewusst ist und darauf reagiert. Deshalb begrüße ich jede der oben genannten Stellungnahmen, auch wenn sie nicht wie die von Nikwax zum Ergebnis haben, dass keine PFCs verwendet werden.
Outdoor-Hersteller sind ganz normale Unternehmen, die profitabel arbeiten wollen und bei der Herstellung von Produkten die Umwelt belasten. Ihr Markenimage lebt aber davon, Begeisterung für die Natur zu versprühen und eine aufrichtige Naturverbundenheit auszudrücken. Zeigt eine Marke hingegen Desinteresse gegenüber Themen wie PFC, riskiert sie, dieses wichtige Kapital zu verspielen.

Handlungsempfehlungen

Sowohl für Hersteller als auch für Verbraucher lassen sich Handlungsempfehlungen entwickeln, um die Verwendung von PFCs zurückzudrängen:
Hersteller müssen aufgrund ihrer besondren Verantwortung Maßnahmen in die Wege leiten, um die PFC Emissionen zu reduzieren. Folgende Schritte sind meiner Meinung nach zwingend:
  1. Kurzfristig: Hersteller müssen auf 6-kettige PFC Verbindungen umstellen, die weniger problematisch sind. Meines erachtens ist es für alle Hersteller bei entsprechendem Ehrgeiz möglich, bis Ende 2014 komplett auf die besonders gefährlichen C8-PFCs zu verzichten.
  2. Mittelfristig: Die Hersteller müssen ernsthafte Bestrebungen zeigen, komplett PFC freie DWR-Imprägnierungen zu entwickeln. Nikwax zeigt, dass das technisch möglich ist. Warum nicht schon jetzt industriell auf Nikwax zurückgegriffen ist, ist mir ein Rätsel. Für Nikwax stellt die derzeitige Entwicklung eine kommerzielle Cahnce dar. Sie sollten die Gunst der Stunde nutzen und passende Angebote für industrielle Anbieter entwickeln. Angesichts des Umstandes, dass mit Nikwax schon eine PFC-freie Alternative auf dem Markt ist, sollte es bis spätestens Ende 2018 möglich sein, komplett auf PFC freie DWRs zurückzugreifen.
  3. Langfristig: Alle  Membranhersteller, insbesondere auch der Marktführer Gore-Tex, sollten eine Möglichkeit entwickeln, Membrane ohne die Verwendung von PFCs herzustellen. Soweit dies nicht gelingt, sollten die Bekleidungshersteller auf andere Membrane ohne PFC zurückgreifen.
Verbraucher können durch ihr Nachfrageverhalten den Grad der PFC-Emissionen beeinflussen. Ich erwarte von keinem Bergsteiger, dass er auf eine atmungsaktive Hardshelljacke verzichtet. Das werde ich auch nicht tun. Aber es bleibt dennoch viel, das man tun kann:
  1. Sofort: Bei der Nachimprägnierung nur PFC freie Pflegemittel wie Nikwax verwenden.
  2. Bei nächsten Einkauf: Bei der eh obligatorischen Internetrecherche vor einem Ausrüstungskauf sollte man darauf achten, dass die DWR-Imprägnierung keine besonders problematischen C8-PFCs enthält (erkennbar am Hinweis “PFOA freie Imprägnierung”). Weiterhin sollte man beim Kauf von Membranbekleidung die Alternativen zu PTFE-Membranen in Betracht ziehen (z.B. Vaude).
  3. Und im allgemeinen: Ganz automatisch schaffen es Outdoorunternehmen uns durch ihre Werbekampagnen, Slogans und Internetauftritte ihr spezielles Markenimage einzuimpfen. Als mündige Verbraucher sollten wir diesen Vorgang der Imagebildung häufiger reflektieren und nur dann einen Outdoorhersteller als naturverbunden betrachten, wenn er auch ernsthafte Anstrengungen unternimmt, Umweltbelastungen zu reduzieren.

Fazit

Die Detox Campaign von Greenpeace war ein wichtiger Schritt. Die ersten Reaktionen einiger Outdoorhersteller deuten darauf hin, dass Schritte in die richtige Richtung unterenommen werden. Es sind jedoch weitere branchenweite Bestrebungen erforderlich. Es liegt nun auch in der Verantwortung der Verbraucher dafür zu sorgen, dass das Thema PFC nicht wie ein Strohfeuer verpufft, sondern es zu einer nachhaltigen Verbesserung kommt. Wünschenswert wäre, dass Greeneace die Eergebnisse der Detox Campaign auch in anderen Staaten in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, bislang scheint das Thema fast ausschließlich in Deutschland Aufmerksamkeit erlangt zu haben. Ich werde zukünftig in Rezensionen soweit möglich angeben, inwieweit PFCs verwendet werden, um einen Beitrag zur allgemeinen PFC-Awareness zu leisten.
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17 comments

  1. Danke für die Zusammenfassung. Aber meiner Erfahrung nach versuchen einige Hersteller das Ganze lieber unter den Tisch zu kehren. Morgen wird sich schon keiner mehr darüber aufregen! Das scheint die traurige Wahrheit zu sein. Wir als Verbraucher können nur auf die Alternativen ausweichen. Das tun aber (Der Marketingmacht der großen Hersteller sei Dank) nur die wenigsten.

    • Hey Dennis,
      sorry für die späte Antwort, Dein Kommentar ist mir irgendwie durchgerutscht… Man muss die Entwicklung wirklich im Auge behalten und prüfen, ob sich in den nächsten Monaten was tut. Ohne ein entsprechendes Nachfrageverhalten der Verbraucher wird die Abkehr von PFCs sicherlich deutlich langsamer von statten gehen.

  2. Danke dür Deine Artikel, hat es mir sehr gut gefallen 🙂

    • Gerne! Wichtiges Thema, freut mich, dass auch einige Zeit nach Veröffentlichung des Greenpeace Berichts noch Interesse daran besteht.

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